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AUFSATZ: Der bewaffnete Kampf im Islam

Hier eine Weiterführung zum Thema:

AUFSATZ: Der bewaffnete Kampf im Islam

OM KARIM fragte:

Salam, ich habe den Aufsatz nun 2x durchgelesen und hoffe ihn wie gemeint verstanden zu haben.

Meine Frage wäre nun, im Falle eines islamischen korrekten Staates, wäre es also legitim den weniger islamische Nachbarstaat mit Waffengewalt zu erobern, nach der islamisch korrekten Vorgehensweise, auch wenn keine Bedrohung von diesem ausginge?

Liebe Sandra, M. Hanel, möge Gott euch belohnen für eure Mühen!

Asalamualeikum

HANELs ANTWORT:

Alaikum Salam Schwester

Eine im Grunde einfache Frage.

Einen (Staats)Nachbarn anzugreifen, von dem KEINE Bedrohung ausgeht, scheint mir keinesfalls islamisch gerechtfertigt zu sein.

Kurz gesagt: Abessinien sei mir hier die deutliche Untermauerung meiner Aussage durch das vom Propheten (a.s.s.) geprägte Beispiel.

Noch einige Worte zum Artikel der mir unbekannten Schwester Sandra – ich schätze ihren Einsatz – das Wort Ideologie verwende ich niemals im Zusammenhang mit einer Religion, da eine Ideologie stets auf dem alleinigen Denken des Menschen gründet. Die Religion aber im transzendenten Urgrund – dem Schöpfer.

Zur „Eroberungsstrategie“ habe ich mal vor einigen Jahren einen Aufsatz geschrieben. Vielleicht ist dieser auch in der einen oder anderen Hinsicht hilfreich.

https://hanelislam.com/2014/12/15/islam-strategie/

OM KARIM fragte weiter:

Asalamualeikum, noch zwei Fragen, die mir schon öfter gestellt wurden und auf die ich noch keine, auch für mich nicht, befriedigende Antwort gefunden habe.

Sind Schutzbedürftige in einem Kalifat den Muslimen gegenüber benachteiligt?

Was geschieht mit Angehörigen von nicht Buchreligionen?

Ma alf salama

Om Karim

HANELs ANTWORT:

Liebe Schwester, wa alaikum Salam

2 Fragen, besonders die zweite, von welchen ich denke, dass sie von den Gelehrten im heutigen historischen Kontext neu formuliert werden müssten. Auch ich vermisse diesbezüglich klare Antworten, gestehe aber, dass ich nicht sonderlich intensiv danach geforscht habe.

Erlaube mir meine Ansichten diesbezüglich darzulegen und lasse mich gerne belehren, sollte ihnen aus theologischen Gründen widersprochen werden müssen.

Sind Schutzbedürftige in einem Kalifat den Muslimen gegenüber benachteiligt?

Das kommt auf die Definition der Benachteiligung an.

Kurz gesagt, sind „Dhimmis“, Schutzbefohlene im islamischen Staat vollwertige Staatsbürger mit einigen Einschränkungen:

Militärdienst:

Sie sind NICHT verpflichtet, den Militärdienst zu leisten – unter bestimmten Umständen kann ihnen dies allerdings zugestanden (wobei ihnen die Dschiziya erlassen wird) oder auch gänzlich verwehrt werden.

Steuern:

Sie sind NICHT verpflichtet, die islamische Zakat (Vermögenssteuer zugunsten definierten empfangsberechtigten Empfängern) zu entrichten.

Aus diesen beiden Ausnahmen, welchen die muslimischen Staatsbürger unterworfen sind, wird von den Dhimmis die Dschiziya („Wehrersatzsteuer“) eingehoben. Auch hier sind vollständige Ausnahmen möglich (z.B. chr. Mönche).

Es darf angemerkt werden, dass die Dschiziya oft weniger ausmachte, als die durchschnittliche Zakat, die von Muslimen eingehoben wurde. Daher kann man hier NICHT wirklich von einer (finanziellen) Benachteiligung reden.

Politik:

Dhimmis sind staatliche Ämter nicht verwehrt – ausgenommen das Amt des Staatsoberhauptes, des Kalifen.

Wenn man also den Ausschluss vom Militärdienst, geringe Personenstands- oder Wehrersatzsteuer und die Unmöglichkeit Staatsoberhaupt zu werden als Benachteiligung ansieht … nun denn.

Religion:

Die Anhänger der Buchreligionen dürfen im Prinzip ihre religiöse Riten ungestört ausüben (Kirchen-, Synagogenbetrieb, Familienrecht, Erbrechtsfreiheit, Bestattung, …) – das heißt, dass die Gemeinschaften der Buchreligionen grundsätzlich den Status der ÖFFENTLICH RECHTLICHEN ANERKENNUNG im ISLAMISCHEN STAAT genießen. Ziemlich fortschrittlich, nicht wahr? Davon können die muslimischen Gemeinschaften im, in der „FREMDEN-LAND“ heute weltweit nur träumen.

Handel:

Jeglicher Handel und sonstige staatsbürgerliche Betätigung steht den Dhimmis völlig frei.

Nun zur zweiten Frage, die auch für mich die heiklere ist.

Was geschieht mit Angehörigen von nicht Buchreligionen?

Ein bekanntes religiöses Oberprinzip im Islam lautet:

„KEIN ZWANG zum GLAUBEN“ (2:256) oder „Euch EUER GLAUBE, mir MEIN GLAUBE“ (109:6)

Oberprinzipien sind dazu da, um bei spezifischen Fällen als Richtlinien zu gelten. Die Frage, ob sich dies NUR auf Leute der Buchreligionen bezieht, ist für mich wirklich eine akademische und natürlich mit NEIN zu beantworten (bezieht sich obiger Vers denn nicht auf „Mushrikun“ (Götzenverehrer) und „Kafirun“ (Glaubensverweiger)?)

Begründung:

Sind die Leute des Buches doch im Verständnis den Muslimen, dem Islam viel näher als Menschen anderer Religionen und mögen der klaren Rechtleitung nicht folgen und KÖNNEN ihrer STURHEIT, EINbildung, … wegen den Islam nicht annehmen und DÜRFEN (daher) NICHT zur ANNAHME gezwungen werden. Wäre eine NICHTFREIWILLIGE Annahme des Islams und die im Prinzip unfreiwillige Aufnahme in die muslimische Gemeinschaft letztlich doch gesellschaftsdestabilisierend und wirkte religionszersetzend – dies gilt umso mehr, wenn solch eine zwanghafte Aufnahme und Annahme des Islam Menschen aufoktroyiert würde, die z.B. einer Naturreligion in Papua Neuguinea (zu meiner Schulzeit nannte man diese Leute noch „Menschenfresser“ und heute gibt es doch MUSLIME unter ihnen) aufzwingen wollte.

NUR die FREIWILLIGE Annahme des ISLAM „macht“ einen MUSLIM!

Hier ist auch noch zu berücksichtigen, dass die Frage, ob der Staat, der Stamm (von Anhängern einer Nichtbuchreligion) von Nichtmuslimen, von welchen KEINE Gefahr ausgeht, angegriffen werden darf – mit einem klaren NEIN beantwortet wurde (was bei ausgewiesenen Kopfjägern allerdings und womöglich als fraglich zu bezeichnen wäre).

Ein Teil Papua Neuguineas ist heute Teil des indonesisch muslimischen Staatsgebietes – und ich denke, dass die Leute dort halbwegs ordentlich, gemäß islamischen Prinzipien behandelt werden (mir ist nichts Gegenteiliges bekannt). Ein Teil verharrt in ihrer traditionellen Kultur, einige wurden Christen, andere Muslime, weitere Kapitalisten … und viele sind zwischen den Fronten einsam und verloren.

Dass animistische Riten auf islamischem Staatsgebiet als Haram zu gelten haben und in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung treten dürfen, und Verstöße geahndet werden müssen, ist klar. Auch das säkular christliche Australien verbietet die Kopfjagd der Papuas.

Nun soweit einige Überlegungen in diese Richtung.

Ich sehe wirklich KEINE Probleme in der Umsetzung der islamischen Aqida (Glaubensgewissheit), um eine menschliche, gerechte und friedfertige Weltgemeinschaft zu bilden … allerdings mit blinder Gewalt wird dies nie und nimmer funktionieren.

AUFSATZ: Der bewaffnete Kampf im Islam

Gerne helfe ich bei der Veröffentlichung dieses Aufsatzes einer sehr engagierten Schwester – SANDRA

Salamu alaikum
Muhammad Hanel

Salam alaykum warahmatUllah meine lieben Schwestern,

im Anhang findet ihr eine Ausarbeitung zu dem Thema „Der bewaffnete Kampf im Islam“. Angesichts der aktuellen Ereignisse ein nicht gerade irrelevantes Thema, wie ich finde. Es ist (leider) sehr ausführlich geworden, entschuldigt. Aber ich finde, gerade heutzutage ist dieses Thema es wert, gründlich überdacht zu werden. Und dazu habe ich dennoch – trotz des intensiven Umfangs – allenfalls eine kleine Vorarbeit geleistet. Für jede Art von weiteren Anregungen bin ich ehrlich dankbar!

Nun, an dieser Stelle fasse ich mich (ungewohnt) kurz ;-), alles weitere dann im Anhang. Khayr in scha Allah. DjazakunnAllahu khayran aber auf jeden Fall für eure Mühe, die ihr euch immer macht, wenn ihr euch mit meinen Gedanken auseinandersetzt! Möge es zu unser aller Nutzen sein – amin!

Liebe Grüße und salam alaykum
eure Sandra

Hier der LINK zum Aufsatz

Der Medienspiegel von kath.ch – Stichwort ISLAM

Es ist schier unglaublich, wie islamrelevante Artikel in ihrer Zahl explodiert sind – vergleichen Sie dies anhand des GSIW Newsletters. Hier der LINK zum Archiv

Nun hier die Artikel, wie sie vom katholischen Medienspiegel in der Schweiz gesammelt wurden:
Hier der LINK zu diesem kompetenten Medienspiegel

Salafisten missionieren auf Zürcher Strassen

«Die wahre Religion» warb vergangene Woche in Winterthur und Zürich um neue Mitglieder. Die salafistische Organisation vertritt einen radikalen Islam.

Der Bund, 27.01.2015

Wie reagieren auf das Phänomen «Pegida»?

Die «Pegida»-Bewegung in Deutschland sorgt international für Schlagzeilen. Mit welchen Strategien die Politik nun versucht, mit dem Phänomen umzugehen, erklärt NZZ-Korrespondent Markus Ackeret im Interview.

NZZ, 27.01.2015

Top-Fokus: Wie wird der Islam wahrgenommen?

Top-Fokus: Wie wird der Islam im Sendegebiet von Tele Top wahrgenommen?

Tele Top, 27.01.2015

Jede Woche Drohbriefe

Der Terroranschlag auf «Charlie Hebdo» hat die Stimmung gegen die rund 430000 Muslime in der Schweiz angeheizt. Hisham Maizar, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS), zeigt sich besorgt und wünscht sich vom Bundesrat ein Zeichen der Solidarität.

Walliser Bote, 27.01.2015

Der Irrglaube der religiösen Integration

Zur Forderung der Muslim-Organisationen zur staatlichen Anerkennung des Islam in Basel.

Basler Zeitung, 27.01.2015

Weiterlesen

Offene Fragen nach Pariser Massaker

Ein Gespräch auf TELEZÜRICH

Das gestrige Massaker bei der Pariser Zeitung „Charlie Hebdo“ macht weit über Frankreichs Grenzen und die Medienbranche hinaus betroffen. Einen Tag danach drängen sich zudem zahlreiche Fragen auf: Tickt in Frankreich eine gesellschaftliche Zeitbombe? Darf man sich in diesem angespannten Umfeld über den Islam lustig machen? Die kontroverse Diskussion heute im „TalkTäglich“.
Gäste:
  • Gilbert Casasus, Frankreich-Experte
  • Muhammed Hanel, Pressesprecher Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich
  • Erich Gysling, Journalist

Hier ist die SENDUNG anzusehen

Einige Anmerkungen zur Sendung:

Tickt eine gesellschaftliche Zeitbombe …
Tickt immer, wenn es in einer Gesellschaft angeblich oder tatsächlich kontroverse Machtinteressen gibt.

Darf man sich über den Islam lustig machen?
Geschlossene Fragen haben nicht nur etwas unprofessionelles, sondern auch etwas heimückisches an sich.

Die wesentlichen Fragen scheinen mir eher zu sein:
Gibt es einen Unterschied zwischen:

  • sich „lustig machen“, jemanden „beleidigen, verspotten und kränken“ und einer „satirisch verpackten Kritik an Missständen“ – und
  • „WAS ist einem Menschen HEILIG“ und
  • zeugt es von Kultur, Bildung und Anstand, ist es Zeichen der Aufklärung, der Reife, des Respekts jemandes HEILIGE zu verspotten? (die Ehre der Ehefrau z.B., das Andenken der Mutter? Die Opferbereitschaft, Tatkraft und Verlässlichkeit der Väter?) Welch böser Vergleich wäre doch: „die Medien – eine H. à ein bestimmter oder alle Journalisten wären daher Z.?

Wäre es bei aller legitimen Kontroverse nicht ein lohnenderes Ziel zu Antworten zu finden, nach Erklärungen zu forschen, die auch gemeinsam vertreten werden können?

Zur Frage der Pressefreiheit und dem Recht auf dieselbe:
Sind sie dafür oder dagegen? (siehe geschlossene Fragen)

Es gehört zur Ehre des Menschseins, sich den Mund nicht verbieten zu lassen – schon gar nicht gegen Ungerechtigkeit … dies ist eine zutiefst islamische Überzeugung!

Vielmehr gilt es bei diesem Fragenkomplex zu bedenken, dass jedem Recht – ein UNRECHT entgegensteht, jedem rechten Gebrauch – ein unrechter MISSBRAUCH!
Wäre es nicht auch bei dieser Frage nicht sinnvoll, sich um eine gemeinsam getragene Definition der Grenze zwischen diesen Polen zu bemühen?

Wie die VIOZ zu dieser Katastrophe steht – wie sie darauf reagiert?
Nun die Mitglieder des Vorstands sind jedenfalls zutiefst BESTÜRZT (eine normale Reaktion auf böswillige Gewalt) – mit BETROFFENHEIT (es wurde inzwischen gut vorbereitet political correct, die Taten einzelner Muslime oder höchst zweifelhafter muslimischer Gruppierungen, ALLEN MUSLIMEN in sippenhafter Manier anzulasten) – mit BEFÜRCHTUNGEN hinsichtlich der Stabilität des gesellschaftlichen Friedens in der Schweiz.

INTERVIEW für 20 Minuten

 

From: Bigliel Thomas
Sent: Wednesday, January 07, 2015 5:14 PM
To: m.hanel@gmail.com
Subject: Dringend: Medienanfrage 20 Minuten

Guten Abend Herr Hanel,

Vielen Dank für das nette Gespräch. Sicher haben Sie bereits von dem schrecklichen Attentat in Paris gehört. In einem Artikel lasse ich im Moment mehrere muslimische Stimmen zu Wort kommen. Gern würde ich auch Ihnen eine Stimme geben.

Wenn Sie folgende Fragen kurz mit einigen Sätzen beantworten könnte, wäre ich Ihnen sehr dankbar:

Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen als Sie von dem Anschlag gehört haben?

HANEL:
Dass die mörderische, wahnsinnige Spirale der Gewalt uns eine Drehung näher gekommen ist.

Was bedeutet das für die Schweizer Muslime?

HANEL:
Dass ihr Leben in der Schweiz und in Europa sich weiter erschweren wird.

Haben sie Angst, dass der Anschlag den religiösen Frieden gefährden könnte?

HANEL:
Dieses Attentat bedeutet leider ganz klar eine wirklich ernsthafte weitere Gefährdung des sozialen und religiösen Friedens, da die Gesamtheit der Muslime völlig zu unrecht aufgrund von Verbrechen Einzelner in Sippenhaft genommen werden wird.

Gibt es Forderungen oder Wünsche, die Sie in diesem Zusammenhang haben?

HANEL:
Von den Medien fordere ich endlich eine differenziertere Berichterstattung hinsichtlich der verschiedenen Phänomene globaler Gewalt, von der Politik fordere ich endlich eine nachhaltige, kompetente und kooperative Befassung mit den tatsächlichen Lebensumständen der Muslime in der Schweiz und die Abkehr von populistischer Propaganda – und ich wünsche mir, dass diese Forderungen von Ihren Lesern nicht als anmaßend empfunden werden und durch gemeinsame Bemühungen die Dinge auf den rechten, uns allen genehmen staatsbürgerlichen Platz gerückt werden.

  • Vielen Dank für Ihre baldige Rückmeldung.

 Freundliche Grüsse, Thomas Bigliel

Thomas Bigliel
Redaktor Inland
20 Minuten AG

HANEL:
Eine Veröffentlichung erfolgte nicht – doch scheint der Tagesanzeiger einige Aussagen übernommen zu haben.
Siehe HIER

Interview für den TAGESANZEIGER

Interview für den Tagesanzeiger am 8.1.2015 von Benjamin Hämmerle mit
Muhammad Hanel

Muslime werden zu Unrecht in Sippenhaft genommen

 

Sie sagten, dass es nach dem Anschlag von Paris unter muslimischen Organisationen in der Schweiz Befürchtungen vor Angriffen auf Moscheen bzw. religiöse Einrichtungen gibt. Empfehlen Sie gegenwärtig Ihren Mitgliedern, die Sicherheitsvorkehrungen zu erhöhen? Wissen Sie von Organisationen, die ihre Einrichtungen nun stärker bewachen oder von der Polizei bewachen lassen?

HANEL:
Ich sagte, dass diesbezüglich Befürchtungen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft wohl auftreten werden.

Dies vor allem auch deshalb, weil durch die schwerkriminellen Übergriffe auf muslimische Einrichtungen in Flums eine Hemmschwelle der Gewalt überschritten wurde, hinter welche nur mit vereinten gesellschaftspolitischen Kräften der Vernunft und Rechtsstaatlichkeit zurückgegangen werden kann.

Bislang gibt es eine von Ihnen angesprochene Empfehlung von Seiten des Dachverbands nicht und auch liegen uns bislang keine Informationen vor, dass muslimische Einrichtungen stärker bewacht werden oder um Polizeischutz angesucht hätten. Dass allerdings unter der muslimischen Gemeinschaft eine ganz allgemein höhere Wachsamkeit und leider auch Misstrauen Platz greifen wird, ist natürlich und verständlich.

Dieses Attentat bedeutet leider ganz klar eine wirklich ernsthafte weitere Gefährdung des sozialen und religiösen Friedens, da die Gesamtheit der Muslime völlig zu unrecht aufgrund der Verbrechen Einzelner oder marginaler resp. zweifelhafter Gruppen in Sippenhaft genommen werden wird.

Welche Einrichtungen könnten besonders gefährdet sein? Jene, die von aussen gut als Moscheen erkennbar sind?

HANEL:
Natürlich spielt die äussere Sichtbarkeit eine Rolle, doch keine primäre. Alle muslimischen Einrichtungen sind heutzutage leicht zu finden. Vielmehr macht mir Sorge, dass es zu tätlichen Übergriffen auf Muslime und speziell auf Frauen kommt, welche durch ihre Tracht als Musliminnen erkennbar sind.

Sie sagten, die besonnenen Kräfte, auch bei den Medien, müssten nun näher zusammenrücken, um eine Gewaltspirale zu verhindern. Was stellen Sie sich darunter vor? Was können die Organisationen und ihre Imame tun? Was können die Medien tun?

HANEL:
Diese Frage ist etwas komplexer um kurz beantwortet zu werden. Daher nur einige Ansätze:

Dass den Medien eine zentrale Rolle zukommt, welche assoziativen Bilder in den Köpfen der Europäer erscheinen, wenn sie die Stichworte “Islam, Koran, Muslime” hören, braucht nicht näher erläutert werden.

Dass die Medien, unterstützt durch bestimmte politische Fraktionen nach dem Motto “only bad news is good news” in den letzten Jahrzehnten alles in der Schweiz dazu beigetragen haben, die Muslime und den Islam in einem einseitigen, ungünstigen Licht (zurückhaltend ausgedrückt) darzustellen, ist ernsthaft nicht zu bestreiten.

Wenn Sie mich fragen, was ich von den muslimischen Organisationen und den Medien – resp. der Politik fordere und was ich mir wünsche, erlaube ich mir folgende Antworten:

Von den Medien fordere ich endlich eine differenziertere Berichterstattung (es geht m.E. nicht nur um einen “Informationsauftrag”, sondern auch um einen KOMPETENTEN “BILDUNGSAUFTRAG”, welchen die Medien (wieder) zu übernehmen haben) hinsichtlich der verschiedenen Phänomene globaler und nationaler Gewalt, von der Politik fordere ich endlich eine nachhaltige, kompetente und kooperative Befassung mit den tatsächlichen Lebensumständen der Muslime in der Schweiz und die Abkehr von populistischer Propaganda – und ich wünsche mir, dass diese Forderungen von Ihren Lesern nicht als anmaßend empfunden werden und durch gemeinsame Bemühungen die Dinge auf den rechten, uns allen genehmen staatsbürgerlichen Platz gerückt werden

Jeder (Muslime, wie Nichtmuslime) kehre zuerst vor der eigenen Türe und bringe seine persönlichen und kollektiven Misskonzeptionen und unzulänglichen Vorstellungen von sich selbst und „den Anderen“ in Ordnung. Zudem ist kompetent unterstütztes gemeinsames Arbeiten, sind gemeinsam durchzuführende nachhaltige Projekte umzusetzen, welche nicht als „interreligiöse Wohlfühlaktionen“ über die Bühne laufen, sondern als gesellschaftlich tatsächlich positiv verändernde Massnahmen erkennbar werden. Verkürzt gesagt, nicht „Integration durch Partizipation“ was meines Erachtens zwar in die richtige Richtung weist, allerdings zu kurz greift, sondern vielmehr „Integration durch Kooperation“, in welche unterschiedliche Kreativität zu neuen Harmonien zu führen vermag.

Hier der LINK zum Artikel und dem, was von diesem Interview übriggeblieben ist:
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/anschlag-in-paris/Muslime-werden-zu-Unrecht-in-Sippenhaft-genommen/story/25574948?track

Ach – vielleicht bin ich etwas zu empfindlich, was die Sorgfalt im Umgang mit Worten betrifft.
Gibt es KEINEN Unterschied zwischen Befürchtungen (wie ich schrieb) und ANGST  (wie im Artikel steht)?

ISLAM & STRATEGIE

ISLAM & STRATEGIE – AKTUELL wie NIE
Muhammad Hanel in der König Faisal Stiftung Basel am 9.12.2010
Hier der LINK zur AUDIO Datei dieses Vortrags 

STRATEGIE

Strategie bezeichnet eine bestimmte, intelligente, festgelegte und konsequent zu befolgende Vorgangsweise, um ein definiertes Ziel zu erreichen.

Die wesentlichen Werkzeuge strategisch durchgeführten Handelns sind:

eine bewusste AKTION &
eine bewusste REAKTION

Untaugliche Werkzeuge für die Durchführung einer Strategie sind:

Paralysiertes STILLHALTEN oder die Aussetzung jeder Handlung (Perplexität, Lähmung) und
Unkontrollierter REFLEX oder unkontrolliertes Handeln als Reaktion auf eine Konfliktsituation.

Eine Strategie wird im Konfliktfall  entwickelt, entweder
um einen Angriff auszuführen (nennen wir dies Aktion)
einem Angriff zuvorzukommen (eine reaktionäre Aktion) oder
einen Angriff abzuwehren (Reaktion).

Strategie im konfliktfreien Raum könnte als:
BENEHMEN, SITTE, TRADITION, RITUAL, VERHALTEN, GESETZ, GEWOHNHEIT
bezeichnet, bzw. erkannt werden.

Der ISLAM – die MUSLIME und STRATEGIE

Bevor wir uns der Entwicklung und Beschreibung einer allgemeinen oder auf bestimmte Vorkommnisse spezifisch bezogenen Strategie zuwenden, mögen einige wesentliche Punkte und Zusammenhänge erläutert werden.

Die Schwierigkeiten welche sich der Islam ganz allgemein in der heutigen Zeit, global gegenübersieht, haben im Wesentlichen ihre Ursache im kollektiven Missverständnis bezüglich der Ziele des Islams, wenn wir Muslime nach Ursachen zu suchen bei uns selbst beginnen.

Die Nichtbeachtung, das Vergessen des korrekten islamischen Zieles lässt die Muslime weder eine gemeinsame erfolgreiche Strategie entwickeln, noch, selbst bei Vorhanden­sein einer korrekten Strategie, aufgrund der „Zielunschärfe“, diese erfolgreich zur Anwendung bringen.

Wie von einigen Muslimen besorgt bemerkt wurde, haben die Muslime zurzeit offensichtlich nur zwei Handlungsmöglichkeiten.
Egal was sie tun, ob sie agieren, ob sie reagieren, entweder „sie machen es falsch oder sie machen es falsch“.

Für uns hier in der Schweiz ist allerdings einzig und allein relevant, ob die muslimischen Gesellschaften, Organisationen und Gemeinschaften es zuwege bringen, erstens eine machbare, zeitgemäße und korrekte, für sie alle erfolgreiche, gemeinsame Strategie überhaupt erarbeiten zu können und zweitens, diese auch konsequent umzusetzen.

Dafür ist es vor allem unabdingbar, die ZIELE des ISLAMS einfach, verständlich und verbindlich nochmals zu formulieren und einander in Erinnerung zu heben.

STRATEGISCHES ZIEL des ISLAM/der MUSLIME

Bevor wir uns der Darstellung des strategischen Ziels des Islams zuwenden, darf festgestellt werden, dass es traurige Tatsache zu sein scheint, dass die Muslime das von Gott vorgegebene religiöse Ziel mit jenem vertauscht haben, welches die Glaubensverweigerer für sich selbst definiert haben und darüber hinaus, die Muslime sich mit größtem Bemühen anstrengen, diesen Shirk (diesen Dienst, dem Götzen namens „MACHT“ gewidmet. Audhu bil’Lahi mina ash Shaiytani rajim. Vor dieser verteufelten Irrung möge Gott uns bewahren. 

Der kapitalistische Westen strebt heute unverkennbar danach, seine globale, ja hegemoniale Vormachtstellung zu verteidigen und weiter auszubauen, wobei kaum ein Zweck oder Mittel tabu zu sein scheint, nach dem Motto:

„Mein Zweck heiligt meine Mittel.“

Auch die Mehrheit der Muslime scheint, wie vom Teufel geblendet, der eigenartigen Auffassung, dass es ihre, von Gott gewollte, heilige Aufgabe sei, die Macht, wie oben beschrieben, auf Erden zu erringen, darin mit den Nichtmuslimen zu wetteifern und dabei erwähnten Wahlspruch umzusetzen.

Dies ist gewiss eine falsche, von den islamischen Glaubensgrundsätzen nicht abgedeckte, verblendete, ego­zentrische Auffassung, welche den absoluten Vorschriften Allahs zuwider läuft und mit aller Kraft und Anstrengung bekämpft werden muss und tatsächlich bis zum Ende der Zeiten auch wird. Denn sie bedient polarisierenden Dualismus. Diese Einstellung, dieses verzerrte Glaubenskonzept führt geradewegs in den Krieg zwischen egomanischen, „einäugigen“ Menschengesell­schaften und hat nichts, rein gar nichts mit einem gerechten kleinen oder gar großen Dschihad zu tun.

Harte Worte? Wahre Worte – bi ithni Allah!

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Zusammenfassung: Religionen und Gewalt. Die Verantwortung der Schweizer Medien.

Zusammenfassung: Religionen und Gewalt. Die Verantwortung der Schweizer Medien.
Mitschrift: Charlotte CORRODI

November 2014, Universität Basel

Vortrag: Umbruch der Weltpolitik und Umbruch der Medienwelt: Aufklärung, Verantwortung, Gefährdung

  • Roger de Weck (Generaldirektor SRG) Gesprächsleitung
  • Weltpolitik:
    Heute haben wir eigentlich in der Weltpolitik einen „Krisen-/Chaosbogen“, der von der Ukraine über Afghanistan, Libyen nach Schwarz-Afrika führt. Innerhalb dieser Regionen werden Grenzen neu gezeichnet, was bisher jedes Mal zu Blutvergießen und zu einem Verschwinden der Grenzen der Inhumanität führte.
     

    Während es in der Weltwirtschaft aktuell eine klare Tendenz zur Globalisierung gibt, ist in der aktuellen Weltpolitik eigentlich keine klare Entwicklung ersichtlich. Nach den beiden Weltkriegen (in welchen „der Feind/ das Böse“ klar definiert war), wurde nun erst in den Al Qaida Terroristen und dann im IS (beides Organisationen, die eine Art des Terrorismus, welcher sich auf den Islam bezieht, vertreten) ein neuer (sich selbst dazu erklärender) Feind gefunden. Betrachtet man jedoch diesen Konflikt, ist es einerseits wichtig zu beachten, dass die „Islamische Welt“ anders als der Okzident keine Aufklärung kannte, die den Vorrang der kritischen Vernunft über der Religion betont hat (Mohammed Arkoun, Universität de Sorbonne). Andererseits sollte nicht vergessen werden, dass es sich in erster Linie um einen Kampf innerhalb der „Islamischen Welt“ handelt, der erst in der Entstehung ist.

Medienpolitik:
Mit der Weltpolitik geht (wie mit allen sozialen Umbrüchen) eine Medienrevolution einher. Der Arabische Frühling, der Aufstand der Jugend in der Türkei und die Aufstände in Brasilien anlässlich der Fussball WM gehen einher mit neuen Medien im Internet. Nach dem Monolog (Fernsehen, Radio, Zeitung) wird nun ein Dialog, Interaktivität, möglich. Dadurch entstehen grössere Auswirkmöglichkeiten für jeden einzelnen Bürger während gleichzeitig die reellen Einwirkungsmöglichkeiten kleiner werden. Dies führt zu Spannungen, welche sich momentan v.a. in ärmeren Ländern zeigen, jedoch auch in den reicheren Ländern noch Auswirkungen haben sollten. Es steht also die Interaktivität, Ubiquität, Visualität (Bild+Ton+Text) der Doktrin, Unilateralität gegenüber. Die neugewonnene Visualität kann sich als Entfaltungsmöglichkeit aber auch als Herausforderung für die verschiedenen Religionen herausstellen (z.B. eine Herausforderung für den Protestantismus, der sich stark aufs geschriebene Wort bezieht).

 

  • Weltpolitik und Medienpolitik 
    Wenn man die Europäische Entwicklung vereinfacht anschaut, dann gab es eigentlich immer einen langen Krieg. Danach war die Hälfte der Bevölkerung tot und die andere Hälfte erschöpft. Die Jahre danach blieben friedlich, bis dann 20-30Jahre später der letzte Krieg vergessen war und ein neuer entstand. Nach dem zweiten Weltkrieg jedoch existierte die totale Katastrophe. Daher lag der Schock einiges tiefer. Zudem leben heutzutage die Menschen länger und erinnern so länger an die negativen Folgen des Krieges. Jetzt aber kommen jedoch erneut Hitzköpfe auf. Zudem gibt es teilweise eine gewisse Sehnsucht nach Doktrinen und man findet überall Fundamentalismus. Den mächtigsten Fundamentalismus stellt heutzutage vermutlich der Amerikanismus dar. Der Islamismus ist in der Hinsicht ein Spezialfall der grossen Fundamentalismen heutzutage, da er sich am direktesten auf eine Religion bezieht. Jedoch kommen solche Fundamentalismen in allen Religionen vor. Daher ist ein guter Dialog wichtig, da es mögliche „Pathologien“ in den Religionen (wie auch der Vernunft) geben kann (Beispiel für einen guten Dialog: Gespräch von Habermas und Ratzinger – gehen nicht auf die schlechtesten, sondern auf die besten Argumente des Kontrahenten ein).
    Ein zweites grosses Problem für den Journalismus ist die Inflation der Medienwelt: es gibt mehr Medien als Botschaften vorhanden sind. Daher wurden Content Provider eingeführt. Denn wer spektakuläre Informationen / Bilder bietet kommt heute an. Es gibt also einen Kampf um Aufmerksamkeit, der zur Kommerzialisierung und Boulevardisierung des Journalismus führte. Aus einer Nachricht (nach der man sich richtet), wurden News (Neuigkeiten) und daraus wurde schlussendlich Content (Inhalt). Der Anteil an wirklich kritischem Journalismus kann heute leider die Balance nicht wieder herstellen.     Auch ist heute vermehrt ein Populismus in den Medien ersichtlich. Nachdem der Kommunismus keine Gefahr mehr darstellte, verhärtete sich der Kapitalismus und liess dem Populismus mehr Platz.
    Der Populismus charakterisiert sich durch: Personalisierung, Vereinfachung, Unterhaltung, Vorliebe für den Konflikt, Bewirtschaftung der Emotionen, Gut vs. Böse, „wir“ vs. „ihr“ (und entspricht somit dem Boulevard). Wer also eine Show will ist gut bedient. Die Medienwelt ist somit ein Spiegel der Gesellschaft, die sie spiegelt
    .

  • Zudem lässt sich heute weltweit eine etwas paradoxe Tendenz beobachten: die Reprovinzialisierung der Medienwelt. Trotz Globalisierung nimmt der Auslandteil in vielen Medien nur einen geringen Platz ein resp. steht nur in brisanten Ausnahmefällen im Mittelpunkt.
  • Es stellt sich daher in diesem Zeitalter eine grosse Herausforderung für den Journalismus. Guter Journalismus besteht im Suchen, Prüfen, in den Zusammenhang stellen, Gewichten, Erklären, Kommentieren und etwaigen Korrigieren von Informationen. In diesem Umbruch, in welchem Religion Politik und Politik Religion beeinflussen kann, ist der Journalismus oft überfordert, da er keine klaren Kriterien zur Einordnung von Informationen findet. So kehrt er zum einfachsten Kriterium um die Welt einzuordnen zurück: Gut vs. Böse / Schwarz vs. Weiss.
  • Mit der Revolution der Weltwirtschaft wurden viele kleine Intermediäre durch einige wenige grosse Globalplayers (z.B. Google) „weggeputzt“. Dies führte zu einer Verunsicherung in der Gesellschaft und auch dazu, dass die Medien heute international tätig sind (z.B. Facebook). Man kann sagen, dass der Ultraindividualismus („ich“) heute gescheitert ist und einem Gruppenegoismus („wir“) Platz machte. 

     

     

     


    Jörg Stolz, Universität Lausanne
    Grundfrage:
    Wie werden Religionen und Religiosität in der Schweiz wahrgenommen 

  • Ich Gesellschaft:
    In den 60er Jahren geschahen einige strukturelle und kulturelle Veränderungen: die religiösen und moralischen Normen brachen zusammen, wodurch eine hohe Wahlfreiheit in allen möglichen Bereichen entstand. Säkulare Optionen machten religiösen Optionen Konkurrenz. Gleichzeitig gab es ein hohes Wirtschaftswachstum. Dadurch entstand ein säkulares Abdriften vieler Personen.
  • Typologie von Religiosität / Spiritualität:

Wahrnehmung von Religion an sich:

Einerseits ist ein Religionsrelativimus bemerkbar: Die Bewohner in der Schweiz haben ein zunehmend distanziertes Verhältnis zur Religion („Grundwahrheiten gibt es in vielen Religionen“). Andererseits zeigt sich eine vermehrt kritische Haltung: Religionen können auch gefährlich sein (z.B. Intoleranz, Konflikte). Daher finden die meisten Personen, dass „man seine Religion nicht zu stark ausleben darf“.

  • „Wir“ vs. „Andere“:
    Die meisten Religionsgemeinschaften grenzen sich von anderen Gruppen ab, um sich selbst zu beschreiben. („Ich als Teil der X mache das so… aber natürlich nicht so wie Y. Die sind komisch.“)

„gute“ vs. „schlechte“ Religionen      Am negativsten werden die Muslime bewertet, welche als gewalttätig, intolerant, fordernd und angsteinflössend wahrgenommen werden. An zweiter Stelle folgen mit einigem Abstand dann die Juden. Die am negativsten bewertete eigene Religion war der Katholizismus, der als veraltet, autoritär und machomässig wahrgenommen wurde.

Die Christen werden am positivsten bewertet, an zweiter Stelle kommen die Buddhisten welche als friedliebend, tolerant und offen gesehen werden. Die Gruppe, welche die Juden am positivsten sieht, sind „institutionelle“ Christen.


Varia:
-Buch mit noch mehr Informationen: Religion und Spiritualität in der Ich – Gesellschaft

Die Stichprobe der Untersuchung bestand nur aus Christen und Konfessionslosen.

Podiumsdiskussion mit den beiden Vortragenden, Janine Dahinden (Transnationale Studien, Migrationsforschung, Universität Neuchâtel),
Samuel M. Behloul (Islam- und Religionswissenschaft, Nationaldirektor von Migratio, Fribourg),
Axel Paul (Soziologe, Universität Basel) und unter der
Moderation von Antonio Loprieno (Rektor der Universität Basel)
:

  • Dahinden: Die Kategorie „Religion“ ist heute wieder viel stärker präsent (wir vs. sie) und gleichzeitig gibt es eine höhere Differenziertheit in Bezug auf die Religion
  • Behloul: 40% der Migranten heutzutage sind Katholiken -> das Problem scheint komplexer zu sein. Einheimische Katholiken finden, dass die eingewanderten Katholiken auf eine altmodische Art und Weise ihren Glauben ausleben. Gleichzeitig finden die eingewanderten Katholiken, dass die einheimischen Katholiken sich eher wie Protestanten bezüglich ihres Glaubens verhalten…
  • De Weck: Unsere Beurteilung der Religionen ist auch abhängig von der neuen Realität der Mediatisierung, der Verbildlichung (welche von Islamistischen Gruppen stark ausgenutzt wird). Diese Verbildlichung steht heutzutage im Kontrast zum bilderlosen Krieg durch Drohnen (Westen, USA), der sehr clean und weit weg wahrgenommen wird und sich durch eine völlig andere Sprache als die der Islamisten kennzeichnet.
  • Stolz: Heutzutage sind erstaunlich viele Menschen bereit ihr Leben für ihre Religion aufs Spiel zu setzen.
  • De Weck: Frage von
    Lopriano: Religion kann mindestens auf drei Arten verstanden werden: als historisches Phänomen, als politisches Phänomen oder als individuelles Phänomen. Der Journalismus fokussiert sich jedoch v.a. auf die Religion als politisches Phänomen. Wieso…? Antwort
    De Weck: Kein Wunder ist das so, denn ein grosser Teil der islamischen Welt befindet sich momentan im Umbruch. Die Religion als individuelles Phänomen ist in den Medien meist mit grossen Persönlichkeiten verbunden (Mutter Theresa, der Papst). Und im geschichtlichen geht es v.a. um Höhen und Tiefen einer Religion (wobei einzig die katholische Kirche als religiöse Grossorganisation bereits auf eine sehr beachtliche Lebensdauer zurückschauen kann).
  • De Weck: (auf die Frage, wie der Islam mehr positive Resonanz erlangen könnte?) Einerseits braucht es heutzutage mehr muslimische Journalistinnen und Journalisten. Andererseits sollte auch in der Fiktion das Einwanderungsland Schweiz besser repräsentiert werden (z.B. in Fernsehserien, Comics, etc.). Das gibt zwar wenig Aufsehen, führt aber zu einer gewissen Normalität. Übrigens kann der Kapitalismus auch als ein Religionsersatz gesehen werden: Der Ökonomismus, bei dem das wirtschaftliche Denken eine Dominanz über alles andere erlangt. Er ist heutzutage ein viel stärkerer Faktor als der Islam.
  • Behloul: Heute haben wir ca. 4.5% Muslime in der Schweiz. Eigentlich sollte der Islam eigentlich keine Gefahr darstellen, sondern eher die Rekatholisierung der Schweiz. Sowohl die Anschläge des 9/11 wie auch die Enthauptungsvideos der IS wurden sehr gut medial aufbereitet. Uns wurde gesagt: „So etwas haben wir noch nie gesehen.“ Das mag sehr wohl stimmen. Gleichzeitig heisst dies jedoch nicht, dass es „so etwas“ wirklich noch nie gab. Zum Beispiel während / nach der französischen Revolution oder im ehemaligen Jugoslawien oder in der ehemaligen Sowjetunion oder an anderen Orten / zu anderen Zeiten kamen ähnliche Ereignisse bereits vor. Es besteht daher eine grosse Verantwortung der Medien (z.B. auch geschichtliche Vergleiche mit anderen ähnlichen Ereignissen wären nötig oder eine Kontextualisierung). Heutzutage wurde teils die Propagandaabteilung der IS zum Content Manager der westlichen Medien. Das sollte eigentlich aber nicht der Fall sein. Wir erhalten so das Gefühl, wir lebten in einer heilen Welt, welche von Aliens/vom „Bösen“ attackiert wird. Die IS hat aber eigentlich nur Export-Ideologien.
  • Dahinden: Heutzutage gibt es über verschiedene Mechanismen eine Islamisierung der Migranten (durch das Verhalten der Normalbevölkerung). Z.B. werden sie ständig darauf hingewiesen Muslime zu sein, was teils dazu führt, dass sie sich mehr mit ihrer eigenen Religion auseinandersetzen.
  • Paul: Bei einer Analyse der Konflikte sollte versucht werden, die Religion so weit als möglich aus dem Spiel zu lassen. Man sollte sich dabei nicht von der Propaganda der IS verführen lassen, da es sich im Konflikt eigentlich um Machtkämpfe handelt. Gleichzeitig sollte das innere Verhältnis von Religion und Gewalt, welches seit jeher in allen Religionen in gewisser Weise besteht, untersucht werden (z.B. Askese, Ektase, Opferkulte, der Kampf gegen das Böse, etc.). Auch könnten die Ausgangsbedingungen die Entstehungsbedingungen/-umstände der Religionen und deren Einfluss auf spezielle politische Theologien einer Religion untersucht werden (z.B. das Christentum ist eine Religion, die sich als Religion im Imperium zu etablieren begann).

Ingrid THURNER’s KOMMENTAR in der FURCHE – 6.11.2014

Warum werden hierzulande alle mit muslimischen Wurzeln ohne Unterschied unentwegt aufgefordert, sich öffentlich gegen kriminelle Aktivitäten von Muslimen zu stellen?

Hervorhebungen von M. HANEL (siehe auch: HANEL für VIOZ zu „islamistischen“ GRÄUEL)

Wenn in den letzten Jahren unter dem Integrationstaatssekretariat Kurz und der Innenministerein Mikl-Leitner Diffamierungen des Islam und Pauschalverdächtigungen von Gläubigen abgenommen haben, so erleben sie in den letzten Wochen eine neue Blüte und neue Dimensionen.
Befeuert werden sie von Prominenten der Islamkritik und nicht zuletzt von Leuten mit islamischem Hintergrund wie Necla Kelek und Hamed Abdel-Samad, wobei die Wortspenden von solchen Personen besonders einflussreich sind.
Vielleicht verfolgt der eine oder die andere ja bloß das Ziel, Bücher und Auftritte zu verkaufen, und streitet daher für eine Meinung, die ohne viel Aufwand breite Zustimmung in verunsicherten gesellschaftlichen Gruppen findet. Jedenfalls wird ihren Äußerungen Gewicht beigemessen, weil sie durch das biografische Detail der Abstammung von muslimischen Eltern scheinbar über Expertise verfügen.
Aber warum eigentlich? Warum ist ein Muslim unweigerlich Islamexperte? Gläubige sind noch keine Theologen, eine Jüdin ist keine Judaistin, Hindu und Buddhisten sind keine Religionswissenschaftler. Agnostiker und Atheistinnen sind auch keine Spezialisten, doch um Ex-Angehörige des Islam und sonstige Islam-Hasser herrscht viel Medienrummel, auch wenn sie über keinen wissenschaftlichen Hintergrund oder entsprechende berufliche Praxis verfügen.
Bis vor Kurzem ist von der sogenannten Islam-Kritik und den einschlägig bekannten Boulevard-Blättern die gesamte Religion mit ihren verschiedenen Strömungen als Ganzheit verunglimpft worden. Inzwischen haben alle dazu gelernt. Jetzt wird differenziert. Selbst die unbedarftesten Neulinge wissen, dass IS nicht Mainstream-Islam ist, dass die meisten Angehörigen des Islam im Keller keine Bomben basteln und nicht nach Syrien reisen, um dort als Kanonenfutter der Anti-IS-Allianz den Märtyrertod zu erleiden und sogleich ins Himmelreich aufzufahren.
Die neue Facette der Islamkritik besteht darin, dass Muslime und Musliminnen kollektiv in die Pflicht genommen werden, die terroristischen Gräueltaten zu verurteilen. Terroristen begehen Verbrechen und alle Personen gleichen Glaubens teilen eine Kollektivschuld. Du bist Muslim? Distanziere dich! Das ist Sippenhaftung.Niemand verlangt von allen Staatsangehörigen Österreichs, dass sie sich distanzieren, wenn irgendwo auf der Welt Österreicher Verbrechen begehen. Niemand verlangt von allen Geistlichen, dass sie sich distanzieren, weil es Fälle von Kindesmissbrauch unter Geistlichen gibt. Niemand verlangt von allen Personen eines Namens, dass sie sich distanzieren, weil jemand gleichen Namens krimineller Handlungen verdächtig ist. Niemand verlangt von den Familienangehörigen eines mutmaßlichen Mörders oder Bankräubers, dass sie sich persönlich rechtfertigen.

Aber alle mit muslimischen Wurzeln, praktizierend oder nicht, gläubig oder nicht, werden ohne Unterschied von Bildung, Geschlecht, Beruf und Herkunft unentwegt aufgefordert, sich öffentlich gegen die medial gerade aktuellen kriminellen Aktivitäten von Personen gleichen Glaubens zu stellen.
Dabei gibt es soziologische, politologische, sozialanthropologische und islamwissenschaftliche Forschungsarbeiten, die gesellschaftliche Ursachen dafür geltend machen, dass die gerade hippe Jugendkultur darin besteht, im Nahen Osten den Köpfeabschneidern die Kalaschnikow zu putzen oder andere niedere Hilfsdienste zu leisten, die im Terroristenalltag anfallen. Dass Schulkinder aus Zwängen ausbrechen und dabei in anderen Zwängen landen, ist nichts Neues, auch nicht, dass sie Opfer von Gewaltkulturen werden. Das ist in allen Kriegen zu beklagen.
Es gibt eine gesellschaftliche Verantwortung diesen Minderjährigen gegenüber. Sie liegt darin, ihnen Perspektiven zu bieten. Sie fühlen sich aber an die Ränder gedrängt. Im Alltag erleben sie Anfeindungen, Diskriminierungen und werden grundlos beleidigt. Es fehlt eine Gemeinschaft, die Halt bietet. Da haben die Anwerber leichtes Spiel. Wer ein T-Shirt trägt mit der Aufschrift “Ich bleib Ghetto” klagt an, nicht zu Unrecht, denn die gesamtgesellschaftliche Verantwortung besteht darin, für deprivierte Jugendliche Strukturen zu schaffen, dass kriminelle Heilsangebote für sie nicht attraktiv sind. Erst dann, wenn solche Strukturen bestehen und angenommen werden, wenn Minderjährige sich ernst genommen fühlen und eine Zukunft mit individuellen Gestaltungsmöglichkeiten vor sich sehen, kann man die Eigenverantwortung der Person einmahnen, zwischen Recht und Unrecht zu entscheiden.
Die IS-Führung jedenfalls kann mit ihren bisherigen Erfolgen in Europa zufrieden sein. Das Misstrauen, das dem Islam entgegengebracht wird, der Generalverdacht unter den seine Angehörigen gestellt werden, ist genau die Stimmung, die sie braucht, um hierzulande eine fünfte Kolonne zu installieren. Und bekanntlich sind nicht nur Muslime und Musliminnen ihre Zielgruppe für Rekrutierungen und ideologische Unterwanderung.
Ingrid Thurner
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ISLAM – ISLAMISMUS – FUNDAMENTALISMUS – TERROR

Eine Assoziationskette – fatal & ununterbrochen

Da die Beschäftigung mit dem Islam und dessen Werten vielerorts zunehmend auf undifferenzierte Weise geschieht, sehe ich mich als „Neu-Schweizer“ und Muslim veranlasst, folgende Erklärungen meinen nichtmuslimischen Mitbürgern zur Kenntnis zu bringen und eindringlich ans Herz zu legen. Ich bringe damit nicht nur meine Loyalität und Verantwortung für eine lebenswerte und sichere Schweiz zum Ausdruck, sondern auch meine Besorgnis gegenüber solchen Entwicklungen und Bewegungen, welche den Muslimen unbewusst, aber auch sehr bewusst, grundsätzlich jegliche gesellschafts­politisch positive Beteiligung am Aufbau einer friedlichen, stabilen und prosperierenden Schweizer Eidgenossenschaft absprechen – und damit solcher Entwicklung tatsächlich den Weg verbauen.

Zuerst sei einmal festgehalten, dass ohne ein gemeinsames, gleiches Verständnis der im Dialog verwendeten Begriffe, weder eine verlässliche Kommunikation, noch eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften oder zwischen gesellschaftlich relevanten Gruppen möglich ist.

Daher ist nun mein Anliegen, einige solche, von Muslimen und Nicht-Muslimen widersprüchlich aufgefasste, den gesellschaftlichen Konsens schwer belastende Begriffe aus Sicht eines Muslims darzustellen.

ISLAMISMUS 

Das erste wesentliche Problem mit diesem Begriff welches der Aufdeckung bedarf, ist, dass er, ohne auf einer allgemein gültigen, eindeutigen lexikalischen Definition zu fußen, im Grunde mit dem ISLAM an sich gleichgesetzt ist.
Was, um Gottes willen, soll gemäß normaler Auffassung ein ISLAMIST sein, denn ein Mensch, dessen Religion der ISLAM IST! Und ISLAMISMUS ist jenes Denken, Sprechen und Tun, welches sich aus der Befolgung der islamischen Lehre ergibt.
So wie ein Kapitalist einer ist, welcher das Kapital in das Zentrum seiner Ideologie, seiner Wertschätzung stellt und sein dadurch bestimmtes Denken, Reden und Tun als Kapitalismus bezeichnet wird.

FUNDAMENTALISMUS

Das zweite, ohne Zweifel noch größere Problem liegt darin, dass der Begriff Islamismus in seiner Bedeutung ohne „wenn und aber“ mit Fundamentalismus1 und dieses Wort in seiner Bedeutung mit „Terrorist und Staatsfeind“ gleichgesetzt wird.

Nicht nur westliche Islamwissenschaftler (z.B. Bernard Lewis) bezeichnen den Begriff des Fundamentalismus bezogen auf den Islam als unglücklich und irreführend, da er ursprünglich auf das Christentum bezogen angewendet wurde, wo damit zumeist protestantische Strömungen bezeichnet wurden, die den göttlichen Ursprung der Bibel und ihre Unfehlbarkeit verfechten. (Quelle: Wikipedia)

Nun muss aber klar verstanden werden, dass es im Islam, in der islamischen Gemeinschaft grundsätzlich niemanden gibt, der am göttlichen Ursprung des Qur’ans und seiner Unfehlbarkeit zweifelt und von daher jeder Muslim, also jeder Anhänger des Islam dem Wortsinne nach ein Fundamentalist ist; es – wenn so verbreitet und verstanden – also zur ursprünglichen IDENTITÄT des Muslims gehört, sich wortwörtlich als FUNDAMENTALIST zu sehen oder ein solcher werden zu wollen.

Denn der Begriff „Fundamentalist“ (usuli) wird ja auch schon seit Jahrhunderten in der islamischen Welt verwendet. Das Wort bezeichnet traditionell und im eigenen Verständnis allerdings die Gelehrten der ilm al usul Wissenschaft, die sich mit dem Studium der ursprünglichen Quellen, den Fundamenten islamischen Rechts befassen.

Ist also grundsätzlich jeder Muslim aus seinem eigenen Selbstverständnis gern ein Fundamentalist, so kann er doch mit dem hiesigen Verständnis dieses Begriffes herzlich wenig anfangen und nicht nur das. Sein Denken, sein Streben, welches ihm als selbstverständlich und lobenswert erscheint, lässt ihn sich ganz offen und aber auch sehr subtil als Mörder, Gewaltverbrecher, Staatsfeind, Anarchist und Bombenleger in den Augen der Gesellschaft widerspiegeln und sich in diesen als solchen selbst erkennen.

Muss man wirklich Psychologe, Soziologe, Politologe sein, um zu begreifen, dass eine, in solcher Form gesellschaftlich und individuell umfassend wahrgenommene Un-Gestalt sich weder selbst integrieren noch konfliktfrei integriert werden kann?

Untersucht man die unzähligen privaten oder staatlich propagierten Analysen die Muslime, deren Absichten, Ziele und Motivationen betreffend, ist deutlich festzustellen, dass es für die Muslime ein aussichtsloses Unternehmen darstellt, ständig jeweilige Gegendarstellungen zu platzieren, abgesehen davon, dass diese Richtigstellungen gar nicht angenommen und veröffentlicht würden.

Wie soll und will also ein konfliktminimiertes Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen in unserem Staat ermöglich werden?

Etwa anders, als des Selbstverständnis des anderen zu respektieren, es verstehen lernen zu wollen, einander als Gleiche im Gleichen anzuerkennen und im Guten zu bestärken?
Oder etwa den anderen in Unkenntnis seiner jeweilig eigenen wahrhaften Werte und seines Selbstverständnis zu missachten und ihn für die höllischen Ängste – vor eigener Unvollkommenheit – verantwortlich zu machen?

Eines darf als Abschluss noch gesagt werden. Wenn die westlich orientierte Gemeinschaft wirklich glaubt, dass der real existierende Islam und dessen real existierenden, unter uns lebenden Anhänger nicht mit zivilen, resp. zivilisierten  Mitteln in der hiesigen Gesellschaft zu integrieren sind, so bleibt tatsächlich als einzige Alternative unvermeidlicher Krieg, der keine Gewinner kennt*.

Möge der Allmächtige Schöpfer die Menschen unserer Gesellschaften das für uns Förderliche Seines Wortes erkennen lassen:

Für jeden von euch haben Wir Richtlinien und ein bestimmtes Vorgehen bestimmt. Und wenn der Allmächtige Gott gewollt hätte, hätte Er euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht. Er wollte euch aber in alledem, was Er euch gegeben hat, auf die Probe stellen. Darum sollt ihr um die guten Dinge wetteifern. Zu Allah werdet ihr allesamt zurückkehren; und dann wird Er euch das kundtun, worüber ihr uneins ward.
[Qur’an 5:48]

 

WEITERLESEN unter: http://www.islamheute.ch/Islamismus.htm
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